Die Auswahl eines geeigneten GenAI-Use Cases ist entscheidend, um die Technologie erfolgreich zu integrieren und echte Mehrwerte zu erzielen. Ein praxisbewährter Vorgehensplan umfasst mehrere Schritte:
Schritt 1: Fokusbereich definieren
Zuerst wird der spezifische Anwendungsbereich im Versicherungsunternehmen festgelegt, beispielsweise eine Geschäftseinheit wie Schadensregulierung, Underwriting oder Kundenservice. Alternativ kann auch ein bestimmter Standort oder ein Prozess innerhalb der Wertschöpfungskette definiert werden. Sinnvoll ist es, Bereiche zu wählen, in denen Mitarbeitende bereits Offenheit gegenüber Innovationen zeigen oder besonders viel Expertise vorhanden ist. So lassen sich Potenziale schneller erkennen und umsetzen.
Schritt 2: Status quo analysieren
Nach den Prinzipien des Lean Managements wird der aktuelle Zustand des ausgewählten Prozesses gründlich untersucht, etwa mithilfe von Wertstromanalysen. Im Fokus stehen folgende Aspekte:
- Zeitaufwand je Prozessschritt (z. B. die manuelle Prüfung in der Schadensbearbeitung)
- Kosten je Prozessschritt
- Verfügbarkeit von Daten (hoch, mittel oder niedrig)
Prozessabschnitte, die sowohl hohe Zeit- und Kostenaufwände aufweisen als auch über gute Datenverfügbarkeiten verfügen, eignen sich besonders für tiefgehende Analysen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die automatisierte Erfassung von Schadensmeldungen oder die Implementierung KI-basierter Betrugspräventionssysteme.
Schritt 3: Marktrecherche und Ideenfindung
Sobald ein relevanter Use Case ermittelt ist, beginnt die Suche nach der optimalen AI-Lösung. Oft empfiehlt es sich, interdisziplinäre Innovationsworkshops zu veranstalten, um unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen. Vorab sollte klar sein, ob das Versicherungsunternehmen eine Lösung selbst entwickelt („Build“) oder externe Lösungen einkauft („Buy“). Anhand der vorhandenen internen Kompetenzen und verfügbaren Marktangebote wird entschieden, welcher Weg am meisten Erfolg verspricht.
In den Workshops werden mit Hilfe von Kreativitätstechniken (z. B. Brainstorming, Design Thinking) gemeinsam mit Fachleuten, Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Bereichen, Entscheidungsträgern und externen Partnern konkrete Use Cases erarbeitet und auf einem sogenannten „Opportunity-Radar“ eingestuft. Beispiele für vielversprechende Use Cases sind prädiktive Risikobewertungen, die automatische Bearbeitung von Schadensmeldungen und der Einsatz KI-gestützter Tools im Vertrieb.
Schritt 4: Use Cases priorisieren
Die finalen Use Cases werden anhand relevanter Kriterien gereiht, beispielsweise mithilfe einer Impact-Effort-Matrix. Im Vordergrund stehen:
- Aufwand (benötigte Zeit, technologische Komplexität)
- Wirkung (finanzielle Potenziale, Verbesserungen im Kundenservice, Senkung regulatorischer Risiken oder Verkürzung von Bearbeitungszeiten)
Durch dieses systematische Vorgehen stellen Versicherer sicher, dass sie aus der Vielzahl möglicher AI-Projekte diejenigen auswählen, die den größten Nutzen entfalten und gleichzeitig wichtige regulatorische Anforderungen sowie Sicherheitsaspekte erfüllen.